Re-Commerce in Deutschland: Studie zeigt Potenzial, Markttrends und Herausforderungen
Re-Commerce in Deutschland wird zunehmend zu einem zentralen Element nachhaltigen Konsums. Eine aktuelle Studie des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (bevh) gemeinsam mit ibi research und dem Institut für Handel & Internationales Marketing beleuchtet die Entwicklung des Handels mit gebrauchten, wiederaufbereiteten und Vintage-Produkten. Sie zeigt: Das Modell ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern wirtschaftlich relevant – wird aber durch politische und rechtliche Rahmenbedingungen gehemmt.
Re-Commerce als Teil der Kreislaufwirtschaft
Inhaltsverzeichnis
Laut Studie ist Re-Commerce ein wichtiger Baustein für die Umsetzung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Die Aufbereitung und der Wiederverkauf gebrauchter Produkte reduziert Abfallmengen, senkt CO₂-Emissionen und verlängert Lebenszyklen. Besonders hohe Einsparpotenziale bestehen bei Kleidung (bis zu 95 Prozent der Umweltbelastung bei der Herstellung) und Elektronik (bis zu 94 Prozent). Trotz zusätzlicher Transportwege verursacht der Re-Commerce insgesamt deutlich weniger Umweltschäden als der Neukauf.
Zudem trägt Re-Commerce zur Ressourcenunabhängigkeit und Schaffung neuer Arbeitsplätze bei – insbesondere in der Rückwärtslogistik, Reparatur und Wiederaufbereitung. Dies unterstützt die EU-Ziele einer klimaneutralen und kreislauforientierten Wirtschaft bis 2050.
Verbraucher treiben Re-Commerce in Deutschland an
Eine repräsentative Befragung von 1.903 Konsumenten zeigt: 55 Prozent haben im vergangenen Jahr gebrauchte Produkte online gekauft, 52 Prozent selbst verkauft. Besonders beliebt sind Kleidung, Elektronik und Bücher. Dabei steht für viele Nutzer die Preisersparnis im Vordergrund – fast alle berichten von günstigeren Konditionen gegenüber Neuware. Der Wunsch nach Nachhaltigkeit wird zwar genannt, hat aber weniger konkreten Einfluss auf Kaufentscheidungen als das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Freude am Stöbern.
Jüngere, höher gebildete und einkommensstärkere Gruppen nutzen Re-Commerce besonders intensiv. Über 76 Prozent der Befragten planen, auch in den kommenden zwölf Monaten gebrauchte Produkte online zu kaufen.
Re-Commerce im deutschen Handel: Strategische Chancen und Herausforderungen
Re-Commerce in Deutschland verzeichnet 2024 ein Umsatzvolumen von 9,9 Milliarden Euro – ein Plus von 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die europäischen Märkte wachsen ebenfalls: Für 2025 wird ein Gesamtvolumen von 120 Milliarden Euro erwartet. Gleichzeitig etablieren sich neue Plattformmodelle wie C2B2C (z. B. Zalando Pre-owned), während klassische Marktplätze wie eBay und Amazon gezielt in den Refurbished-Bereich investieren.
Allerdings sehen sich viele Händler mit operativen Hürden konfrontiert: hoher Aufwand für Qualitätsprüfung und Aufbereitung, Rücklogistik, geringe Margen sowie schwer planbare Mengen. Auch der Ankauf gebrauchter Ware von Privatpersonen bleibt eine Herausforderung. Die Integration des Re-Commerce wird dennoch als strategische Erweiterung wahrgenommen – zur Kundengewinnung, Sortimentsverbreiterung und Positionierung im Niedrigpreissegment.
Regulatorische Unsicherheiten und politische Handlungsempfehlungen
Ein zentrales Hemmnis bleibt der Rechtsrahmen. Viele Händler beklagen unklare Regelungen zu Gewährleistung, Rückgabe und Differenzbesteuerung. Auch fehlen einheitliche Produktinformationen und klare Vorgaben zu Bezeichnungen wie „gebraucht“, „refurbished“ oder „recycelt“.
Die Studie empfiehlt daher politische Maßnahmen zur Förderung von Re-Commerce in Deutschland:
-
- Reduzierte Mehrwertsteuer auf aufbereitete Produkte
- Rechtssicherheit für Händler durch klare Definitionen und Standards
- Digitale Produktpässe mit Angaben zu Reparierbarkeit und Herkunft
- EU-weite Harmonisierung steuerlicher und regulatorischer Vorgaben
Nur mit einem gezielten Förderrahmen lässt sich das volle Potenzial des Re-Commerce in Deutschland ausschöpfen – ökologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich.